Wie der Leistungs- und Nachhaltigkeitsrechner für die Schweizer Landwirtschaft weiterentwickelt wurde

Die landwirtschaftlichen Betriebe, die Partner im Bodenfruchtbarkeitsfonds sind, zählten zu den ersten, die die Regionalwert-Leistungsrechnung für die Messung und Bewertung ihrer betrieblichen Nachhaltigkeitsleistungen einsetzten und durch ihr qualifiziertes Feedback in den vergangenen drei Jahren massgeblich zur Praxistauglichkeit des Instrumentes beitrugen. Der frühe Zuspruch entstand, weil Mathias Forster, Geschäftsführer und Stiftungsrat der Bio-Stiftung Schweiz, als Teilnehmer an der Abschlussveranstaltung des Projektes «Richtig rechnen in der Landwirtschaft» im November 2019 in Freiburg anwesend war und miterlebte, wie die Regionalwert-Leistungsrechnung aus dem vorher geschützten und internen Rahmen der Regionalwert AG Freiburg der allgemeinen Fachwelt und Öffentlichkeit präsentiert wurde.

Christian Hiß ist Gründer der Regionalwert AG Freiburg und Gründer und Vorstandsmitglied der Regionalwert Leistungen GmbH, Referent und Sachbuchautor.
Er wurde für seine innovativen Denkansätze mit wichtigen Preisen ausgezeichnet. Die Partnerbetriebe des Bodenfruchtbarkeitsfonds zählen zu den ersten, die ihre Leistungen in den Feldern Ökologie, Soziales und Regionalökonomie mit der von der Regionalwert AG Freiburg entwickelten Methode ermitteln, um sie dadurch in die Sichtbarkeit und ins Bewusstsein zu bringen.

Was bisher geschah

In den folgenden Projekten mit den Betrieben des Bodenfruchtbarkeitsfonds, die sich auf die Länder Deutschland, Schweiz, Österreich und Liechtenstein erstreckten, wurde deutlich, dass es zwischen der Schweizer und der deutschen Landwirtschaft Unterschiede gibt, die einer Bearbeitung bedürfen. Die Bio-Stiftung Schweiz hat der Regionalwert Leistungen GmbH im Herbst 2022 den Auftrag gegeben, die Leistungskennzahlen, die Grenzwerte und die Monetarisierungsansätze für die Schweizer Landwirtschaft zu überarbeiten und hat dafür die finanziellen Mittel bereitgestellt. Die Ausarbeitung erstreckte sich über neun Monate und erfolgte nach demselben Prinzip, wie die Regionalwert-Leistungsrechnung ursprünglich entstanden ist und auch weiterentwickelt wird.

Es wurden Landwirtinnen und Landwirte aus der Schweiz eingeladen an den methodisch gut vorbereiteten Workshops teilzunehmen und aus ihrem Erfahrungswissen heraus die Kennzahlen, Grenzwerte und Monetarisierungsansätze zu diskutieren und sich darüber zu einigen, wie nachhaltige Landwirtschaft gestaltet sein soll und welchen Geldwert die Leistungen der Landwirtinnen und Landwirte für das Gemeinwohl haben bzw. was es kostet die Leistungen bereitzustellen. Die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Regionalwert Leistungen verglichen die Angaben mit spezifischen Schweizer Studien, anderen Rahmenwerken und politischen Verordnungen und legten die Ergebnisse in den Workshops den Teilnehmenden wieder vor. Nachdem die Werte feststanden, haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Regionalwert Leistungen die Variante in ihre eigene Datenbank programmiert, einige Testläufe mit Betrieben durchgeführt und die eingehenden Verbesserungsvorschläge abschliessend eingearbeitet, sodass nun die Schweizer Variante der Regionalwert-Leistungsrechnung zum praktischen Einsatz in der Schweizer Landwirtschaft bereitsteht.

Die Kennzahlen und Begriffe für die Schweizer Verhältnisse aktualisieren

Im Prozess zur Herausbildung der Schweizer Variante wurde die deutsche Variante zugrunde gelegt und geprüft, an welchen Punkten es eine Abweichung gibt. Im Wesentlichen waren es Begrifflichkeiten, die an gepasst werden mussten, aber auch die Monetarisierungssätze galt es zu überprüfen und den Schweizer Verhältnissen anzugleichen. Einige Grenzwerte, wie zum Beispiel der Radius für regionales Wirtschaften, wurden einstimmig geändert. Während in Deutschland der Radius für den Einkauf von Produktionsmitteln und der Verkauf der Erzeugnisse bei 75 km liegt, votierten die Schweizer Expertinnen und Experten auf 30 km. Weiterhin wurde beispielsweise der Grenzwert für 0% nachhaltig bei der Kennzahl «Durchschnittliche Schlaggrösse» von 10ha auf 8ha im Vergleich zur dt. Variante angepasst. Als komplett neue Kennzahlen wurden unter anderem «Existenzsichernder Lohn für Saisonarbeitskräfte» und «Existenzsichernder Lohn für Festangestellte» eingeführt.

Die abgedeckten Betriebszweige der Schweizer Variante sind: Acker- und Ackerfutterbau, Gemüsebau, Obstbau, Saatgutvermehrung, Grünlandbewirtschaftung, Direktvermarktung und Handel, Weinbau sowie Tierhaltung (Milchvieh und Mutterkühe, Mastrinder, Mastschweine, Ferkelzucht, Legehennen, Masthühner, Mastputen, Ziegen und Schafe).

Das Prinzip des Aushandlungsprozesses ist in der Regionalwert-Leistungsrechnung tief verankert. Die daraus resultierende Bewertung der landwirtschaftlichen Arbeit ist als eine gesellschaftliche Übereinkunft mit temporärer Wertsetzung zu verstehen. Das kommt nicht von ungefähr, denn die Urheber der Methode waren sich bei der ursprünglichen Gestaltung der Methode sicher, dass sich nachhaltige Bewirtschaftung in der Landwirtschaft nicht alleine aus abstrakten Berechnungen ermitteln lässt, sondern ein Stakeholderprozess unter Einbeziehung der beteiligten Menschen mit ihrem Erfahrungswissen erst die sinnvolle Grundlage bietet für eine zukunftsfähige Agrarkultur.

Schon im Jahr 2009 wurden nach diesem Prinzip in der Regionalwert AG Freiburg die ersten 63 Indikatoren entwickelt, mit denen die sozialen, ökologischen und regionalökonomischen Leistungen der Regionalwert-Partnerbetriebe erfasst, bewertet und den Aktionärinnen und Aktionären der Regionalwert AG Freiburg berichtet und in der jährlichen Hauptversammlung zur Abstimmung vorgelegt wurden. Nach einigen Jahren erfolgreicher interner Berichterstattung folgten eine Reihe von Projekten, in denen die Methodik und das Instrument erheblich ausgebaut und zur Anwendung auch ausserhalb der Regionalwert AG Freiburg weiterentwickelt wurde. Daraus ist eine Liste mit aktuell an die fünfhundert ökologischen, sozialen und regional-ökonomischen Leistungskennzahlen mit den jeweiligen Grenzwerten von nicht nachhaltig bis optimal nachhaltig entstanden.

Für Landwirtschaftsbetriebe und Unternehmen in der Schweiz

Führen landwirtschaftliche Betriebe die Leistungsrechnung durch, dann halten sie mit relativ wenig Aufwand ein Dokument in der Hand, das ihnen aufzeigt, welche Werte sie für die langfristige Produktivität des Betriebes und für das Gemeinwohl geschaffen haben und in welchen Bereichen noch Entwicklungspotentiale bis zum optimal nachhaltig geführten Betrieb bestehen. Sie können damit zu ihren Anspruchsgruppen wie Kunden und der Gesellschaft gehen und eine gerechte Vergütung einfordern.

Auch für Unternehmen der Ernährungswirtschaft ist die Leistungsrechnung interessant, sie kann ihren Lieferbetrieben aus der Landwirtschaft die Durchführungscodes bereitstellen und erhält im Gegenzug eine einzelbetriebliche wie auch eine gruppenspezifische Auswertung über die Nachhaltigkeit ihrer Lieferanten. Auf der Basis kann sie die Einkaufspreise für die Rohstoffe an die Nachhaltigkeitsperformance anpassen und Prämien für besonders nachhaltig wirtschaftende Lieferbetriebe bezahlen.

Die Bio-Stiftung Schweiz sucht momentan nach der bestmöglichen Lösung, um dieses innovative Werkzeug in der Schweiz zu etablieren. Bei Interesse können sich Landwirtschaftsbetriebe und Unternehmen aus der Schweiz vorerst bei Mathias Forster, m.forster@bio-stiftung.ch melden.

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