Die Bedeutung des Mikrobioms für das Leben auf der Erde

Text Annika Knippelberg, Studentin am Seminar für Waldorfpädagogik an der Freien Hochschule Stuttgart | Zeichnungen Charles Blockey

Warum wenden wir uns in der Forschung dem Mikrobiom zu? In welcher Beziehung steht das Mikrobiom zum menschlichen Leben und dem Ökosystem der Erde? Die aktuellen Forschungsergebnisse weisen uns auf intensive Zusammenhänge hin und stellen Medizin, Pädagogik, Psychologie und Landwirtschaft vor neue Aufgabenstellungen. So macht es Sinn, diese Fachbereiche zu vernetzen, denn ihnen ist gemein, einen Raum zur Entfaltung von Leben wieder herzustellen, zu wahren und zu schützen. Es geht um einen ganzheitlichen Blick, denn aus Sicht des Mikrobioms gibt es keine abgetrennten Bereiche.

Was ist das Mikrobiom?

Das Mikrobiom ist die Gesamtheit aller Mikroorganismen, der Böden, der Pflanzen, der Tiere und des Menschen, des Ökosystems, welches Leben ermöglicht. Das Mikrobiom ist nicht nur in unserem Darm zu finden. Böden, Tiere, Pflanzen und Ökosysteme haben ihr eigenes individuelles Mikrobiom. Alle Mikroorganismen stehen miteinander in Beziehung und im Kontakt zu allem Lebendigen. Unser Mikrobiom befindet sich ständig im Austausch mit anderen Mikroorganismen. Das Mikrobiom ist formlose Gestalt, individuell, kreativ, kommunikativ, lösungsorientiert und braucht, um zu «über»-leben, Stimuli anderer Mikroorganismen. Erst der Austausch mit dem Fremden regt das eigene individuelle Mikrobiom an, sich zu entfalten. Es ist in einem ständigen Prozess, in der Auseinandersetzung mit dem Fremden das Eigene herauszuarbeiten.

Das Mikrobiom ist in der Medizin und in anderen Lebenswissenschaften ein grosses Thema der aktuellen Forschung geworden. In der Landwirtschaft, der Grundlage unserer Ernährung, sind nahezu alle Vorgänge mit mikrobiellen Systemen durchzogen. Insbesondere im Bereich der Humusbildung, der Bodenfruchtbarkeit und der Milchgewinnung spielen sie eine bedeutsame Rolle. Die Vielfalt der Mikroorganismen steht in direktem Zusammenhang mit der Vielfalt des Lebens.

Die Pflanze lebt von der Qualität und Beschaffenheit der Böden und der Vielfalt anderer Pflanzen in ihrer Umgebung. Der Mensch braucht vitale Nahrungsmittel aus der Natur; er braucht Räume, die zur eigenen Entfaltung beitragen (Raumklima, Natur, Architektur); er braucht die Wärme der Gemeinschaft und seiner Mitmenschen.

Warum werden unsere Kinder immer anfälliger für Allergien, Asthma-Erkrankungen und andere Störungsbilder? Was hat diese Entwicklung mit der zunehmenden Urbanisierung zu tun?

Ein systemischer Ansatz führt uns zur Betrachtung des Gesamtbildes. Der Mensch ist eingebettet in seine Umgebung, welche er sich erschaffen hat. Wir erkennen, dass sterile Räume der Vielfalt der Mikroorganismen nicht dienen. Wenn wir anfänglich erfassen können, was das Leben ausmacht, können wir fruchtbare Räume schaffen, die das Leben fördern.

Je früher unsere Kinder in Kontakt mit dem Lebendigen kommen, desto besser gelingt es ihnen, sich mit fremden Mikroorganismen auseinanderzusetzen. Diese Auseinandersetzung ist notwendig, damit sie ihr eigenes Mikrobiom ausbilden können. Es sind die einfachen Dinge, die das Immunsystemstärken: Ein gemeinsamer Tag auf dem Bauernhof, um mit den Kindern in den Kuhstall zu gehen, Hühner zu füttern und Schweine zu streicheln. Eine saisonale, regionale und vielseitige Ernährung, um dem Mikrobiom in unserem Darm genug «Futter» zu geben und keine Angst vor Dreck und Viren, welche die Stimuli für unser eigenes Mikrobiom sind.

Im Rahmen des Pionier-Projektes «One-health» trafen sich seit Oktober letzten Jahres Studierende gemeinsam mit Professoren der Universität Kassel, Witten/Herdecke und der Freien Hochschule Stuttgart an verschiedenen Standorten, um gemeinsam neue Wege zu gehen und in den Austausch zu kommen. Das letzte Treffen fand am 21. Juni auf dem Biohof Frankenhausen mit Thomas Hardtmuth, Mediziner und Autor des Buches «Mikrobiom und Mensch» (2021), statt.

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