Von welcher Welt träume ich? «I have a dream» vermochte auch schon in der Vergangenheit grosse Veränderungskräfte zu mobilisieren. Um diese Qualität anzuregen, haben wir die Rubrik «Mein persönlicher Zukunftstraum» ins Leben gerufen. Die Mitglieder des Beirats der Bio-Stiftung sind die Ersten, die ihre persönlichen Zukunftsträume mit uns teilen, was auch gleich die Möglichkeit schafft, sie ein wenig kennenzulernen. Dieses Mal gibt uns Urs Brändli Einblick in seinen Zukunftstraum.

Urs Brändli hat während 30 Jahren in Goldingen SG einen Biomilchbetrieb geführt. Nach der erfolgreichen Meisterprüfung stellte er den Betrieb 1994 auf Bio um. Brändli engagierte sich zunächst im aufstrebenden Biomilchmarkt. Den Hof hat er 2015 seinem Sohn übergeben. Brändli ist seit 2011 Präsident von Bio Suisse und vertritt damit rund 7500 Biobetriebe. Dank über 1200 Lizenznehmern der Bio-Knospe, Unternehmen aus Verarbeitung und Handel, steht er in regelmässigem Kontakt mit Vertretern der gesamten Wertschöpfungskette. 2020 hat er auch das Präsidium des Vereins für komplementäre Tiermedizin, Kometian, übernommen.
Auf die Bio-Stiftung ist er durch den Bodenfruchtbarkeitsfonds aufmerksam geworden. Als Beirat kann er seine (bio-)bäuerlichen Erfahrungen und sein Netzwerk im landwirtschaftlichen Umfeld ins Gremium und die Stiftung einbringen.

Nachhaltig ist eine Entwicklung, «die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen.» Diese Definition für «unsere gemeinsame Zukunft» aus dem Brundtland-Bericht beschreibt meinen Zukunftstraum in einem Satz.

1987 hat die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung unter dem Vorsitz der ehemaligen norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland kurz und bündig formuliert, woran die Menschheit ihre Lebensweise messen muss, damit sie als nachhaltig bezeichnet werden kann. Sind wir in den letzten 35 Jahren dieser Verhaltensweise nähergekommen? Nicht wirklich.

Zwar werden in internationalen Organisationen wie der UNO oder der FAO laufend Vereinbarungen getroffen und Verträge unterschrieben. Deren Umsetzung lässt aber bis heute auf sich warten. Allen voran muss die Wirtschaft umdenken und nicht nur auf das Etikett «klimaneutral» setzen. Aber Business geht nun mal vor, Gewinne befriedigen Shareholder und garantieren dem Management fette Boni. Und die Bevölkerung der Industrienationen, wo der Ressourcenverbrauch am grössten ist? Sie realisiert immer mehr: Mit unserem gegenwärtigen Lebensstil fahren wir die menschlichen Lebensgrundlagen an die Wand. Freiwillig etwas daran ändern, dazu sind aber nur wenige bereit.

Als Realist mache ich mir nichts vor: Ein enkel:innenwürdiges Konsumverhalten liegt in weiter Ferne. Weder 9 Mrd. Erden-Bürger:innen noch 9 Mio. Schweizer:innen lassen sich in absehbarer Zeit auf meinen Traum-Kurs bringen. Wir leben in einer Welt, in der «Shopping» als Hobby bezeichnet wird, in der Statussymbole das gesellschaftliche Ansehen prägen, in der wir trotz Hunderten von «Friends» immer mehr vereinsamen und in der Hassreden von Followern gefeiert werden. Um das Wohl unserer Kinder und Enkel:innen kümmern wir uns im Alltag übervorsorglich, deren längerfristige Zukunft aber scheint uns egal zu sein.

Den Glauben an einen Wandel werde ich deswegen aber nicht aufgeben! Dafür bin ich zu sehr Optimist. Und auch bereit, den Menschen entgegenzukommen und ein einfacheres Ziel zu formulieren.

Beginnen wir im Kleinen: Jeder Mensch setzt bei sich selbst an und beschränkt sich auf das eigene Tun und Handeln. Nicht im Sinne des allgegenwärtigen Selbstoptimierungs- und Eigenverwirklichungstrends. Viel mehr der Definition des buddhistischen Mönchs Matthieu Ricard folgend, wonach Demut nicht darin besteht, sich geringer als die anderen zu fühlen, sondern sich von der Anmassung der eigenen Wichtigkeit zu befreien.

Wie dies gelingen kann? Schauen Sie in den nächtlichen Sternenhimmel, schreien Sie ihre Zwänge, Probleme, Frustrationen ins Universum hinaus – und nichts wird zurückkommen. Kann es sein, dass «meine Probleme» gar nicht so weltbewegend sind? So wichtig ich für meine Familie und Freunde, in meinem Job, in meinem Amt auch sein mag, nicht mal ein Staubkorn bin ich in der universellen Dimension. Ich kann Ihnen versichern, allein der Gedanke daran wirkt befreiend.
Kann es gar sein, dass unser Planet im unendlichen Weltall unbedeutend ist? Auch dies werden Sie mit einem Ja beantworten, denn universell gesehen ist das so. Gleichzeitig aber realisieren Sie, wie wichtig diese so wunderbare Erde für die Menschheit ist. Wie sehr es sich lohnt, unsere Lebensgrundlage für diejenigen zu erhalten, die nach uns kommen.

Nur wer mit sich selbst im Reinen ist, kann die Welt verändern. Denn Veränderung beginnt im Kleinen, bei sich selbst. Überzeuge ich mit meinem Tun, mit meinen Ideen und Idealen auch mein persönliches Umfeld, dann setze ich etwas in Bewegung. Reagiert mein Umfeld begeistert und zieht nach, dann werden noch mehr Menschen davon erfahren und sich nach dem Grund der Begeisterung erkundigen. Ein Schnee- ball kommt ins Rollen.

Mein Traum als realistischer Optimist sieht so aus: das Universum kümmert sich um die vielen Probleme der Menschen, damit diese sich dem widmen können, was zählt – sicherzustellen, dass auch unsere Enkel:innen ihre Bedürfnisse befriedigen und ihren Lebensstil wählen können.

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